Das Rind von Kopf bis Fuß: Welches Teilstück für Gulasch, Braten oder Steak? Ein Guide für bewussten Fleischgenuss
Ein Tier komplett zu verwerten – also „Nose-to-Tail“ (Mehr über das Nose-to-Tail-Prinzip erfahren) – ist kein neuer Trend, sondern war früher selbstverständlich. Heute greifen jedoch viele Verbraucher fast nur zu Edelstücken wie Filet oder Beiried, die nur etwa 15 % des Rindes ausmachen. Dabei hält ein Rind weit mehr Leckerbissen jenseits des Filets bereit. In Österreich wird ein Rind traditionell in rund 29 Teilstücke zerlegt – vom Nacken über das Rückenstück bis zum Schwanz. In diesem umfassenden Guide erklären wir bekannte und weniger bekannte Rindfleisch-Cuts, wo sie am Tier zu finden sind und wofür sie sich am besten eignen. So finden Sie bewusst das richtige Teilstück für Steaks, Braten oder Gulasch und lernen, jeden Teil des Tieres wertzuschätzen.
Die Premium-Steaks: Rücken und Lungenbraten (Englischer Teil)
Die zartesten Steakstücke stammen aus dem Rücken des Rindes (in Österreich auch “Englischer“ genannt). Diese Cuts sind feinfaserig, saftig und meist nur gering mit Bindegewebe durchzogen – ideal zum Kurzbraten oder Grillen. Zu den wichtigsten Premium-Cuts zählen:
- Lungenbraten (Filet) – Das Filetstück ist besonders mager, feinfasrig und butterzart. Es liegt innen an der Wirbelsäule und wird aufgrund seiner Zartheit häufig zu edlen Filetsteaks (z.B. Medaillons) verarbeitet. Auch roh ist der Lungenbraten ein Genuss, z.B. gehackt als Beef Tatar oder hauchdünn geschnitten als Carpaccio. Aufgrund der geringen Fettanteile sollte man Filetsteaks nur kurz und nicht zu heiß braten, damit sie saftig bleiben.
- Beiried (Roastbeef) – Das Beiried ist der hintere Teil des Rückens (auch Roastbeef genannt) und zeichnet sich durch feine Marmorierung und einen Fettrand aus. Im Ganzen eignet es sich hervorragend als Roastbeef-Braten. In Scheiben geschnitten ergeben sich bekannte Steakzuschnitte: Rumpsteaks ohne Knochen, oder mit Knochen das T-Bone-Steak und Porterhouse-Steak (bei denen Filet und Beiried in einem Stück kombiniert sind). Durch die feine Marmorierung bleibt Beiried beim Kurzbraten saftig und aromatisch. Sogar für Beef Tatar oder zarte Schnitzel kann es verwendet werden.
- Rostbraten (Ribeye/Hochrippe) – Der Rostbraten umfasst die vordere hohe Rippe und wird in Wien auch “Hohes Beiried“ genannt. Dieses Stück ist stark marmoriert, sehr saftig und aromatisch. Als Steak kennt man es als Ribeye-Steak oder Hochrippensteak. Dank der feinen Fettäderchen eignet es sich ideal zum Kurzbraten oder Grillen bei hoher Hitze – innen sollte ein Rostbraten-Steak noch rosa sein. Aber auch im Ganzen lässt sich die Hochrippe braten oder dünsten; klassisch etwa als Zwiebelrostbraten in reichlicher Sauce.
- Hüferscherzel (Huftsteak) – Das Hüferscherzel sitzt an der Hüfte (Schlögel) und wird wegen seiner Form auch “falsches Filet“ genannt. Es ist mager, aromatisch und leicht marmoriert. Als Huftsteak eignet es sich gut zum Kurzbraten – zum Beispiel als preisgünstige Alternative zum Lungenbratensteak. Aufgrund der feinen Struktur und Zartheit wird das Hüftfleisch gern dünn geschnitten für Fonduefleisch oder Geschnetzeltes genutzt.
Ein Rind aus dem Englischen Teil (Rücken): Die Premium-Steaks Lungenbraten, Beiried und Rostbraten liegen alle im hinteren Rückenbereich. Diese Cuts sind sehr zart und eignen sich bestens zum kurzen Anbraten oder Grillen.

Saftige Braten & Schmorstücke: Schulter und Keule
Nicht nur das Filet liefert köstliches Fleisch – viele Teile der Schulter und Keule eignen sich hervorragend für Schmorbraten, Rouladen oder Siedefleisch. Diese Stücke enthalten oft etwas mehr Bindegewebe oder einen Fettrand, was sie bei längerer Garzeit besonders saftig macht. In der österreichischen Küche sind etliche dieser Cuts echte Klassiker für Sonntagsbraten oder Schmorgerichte:
- Tafelspitz – Eine Berühmtheit der Wiener Küche! Der Tafelspitz ist ein konisch zulaufendes Teil am Schwanzende des Schlögels (oberes Hinterviertel) mit einer Fettschicht auf der Oberfläche. Es ist feinfaserig und beim Kochen quillt es angenehm auf, wird also sehr zart. Traditionell wird Tafelspitz in Brühe gesiedet und mit Wurzelgemüse, Kren und Röstkartoffeln serviert – ein echtes Festmahl. Man kann ihn aber auch schmoren oder im Ganzen braten, wobei er durch den Fettrand vor dem Austrocknen geschützt ist.
- Hüferschwanzel – Das Hüferschwanzel (auch Schwanzstück genannt) schließt an das Hüferscherzel an und gehört zur Hüfte. Es ist etwas grobfaseriger, aber dennoch mager und saftig mit lockerer Textur. Diese Schnitt eignet sich ideal als Bratenstück – zum Beispiel gerollt und gebunden als gefüllter Braten. Auch für Ragouts oder kräftige Eintöpfe ist das Hüferschwanzel erste Wahl. In Wien gilt es als „preiswerter Tafelspitz“, weil es ähnlich verwendet werden kann, aber weniger kostet.
- Weißes Scherzel – Ein Teil aus der Keule (Schlögelspitze), das sehr mager und hell ist. Das Weiße Scherzel hat wenig Fett und ist eher trocken, aber grobfasrig und leicht portionierbar. Es eignet sich gut für Rindschnitzel oder Rouladen. Beim Braten im Ganzen sollte man es spicken oder mit Speck bardieren, damit es saftiger bleibt. Als Siedefleisch ist es zwar möglich, aber aufgrund der Trockenheit empfiehlt sich eine kräftige Sauce als Begleiter.
- Nuss (Schlegelstück) – Die Nuss ist ein fast komplett fettfreies, äußerst feinfasriges und saftiges Stück aus der Keule. Sie liegt im oberen Teil des Schlögels (Keule) und lässt sich in flache Nuss und Nussdeckel unterteilen. Aus der flachen Nuss schneidet man hervorragende Schnitzel oder Rouladen; sie kann ähnlich wie Tafelspitz auch gesotten werden. Der Nussdeckel eignet sich gerollt für zarte Braten. Insgesamt ist die Rindernuss ein vielseitiges Teilstück – auch für Fondue, Spieße oder Ragouts. Wichtig: Nicht zu lange garen (wird sonst trocken) und ausreichend Fett zufügen oder mit Speck spicken, da das Fleisch selbst sehr mager ist.
- Schale (Ortschwanzel) – Ebenfalls ein mageres Teil aus der Keule, direkt neben der Nuss. Die Schale ist kurzfasrig, etwas dunkler im Fleisch und nahezu fettlos. Sie wird vor allem für Rindsrouladen und Schnitzel in Sauce verwendet. Für klassische Schmorgerichte schneidet man aus der Schale oft Gulaschwürfel. Da auch dieses Teil recht mager ist, gilt ähnliches wie beim Weißen Scherzel: beim Schmoren genügend Flüssigkeit und ggf. Fett/Speck zugeben, damit das Ergebnis zart bleibt.
- Schulterscherzel (Bug) – Das Schulterscherzel sitzt in der Schulter (Bug) und ist ein längliches Stück, durchzogen von Sehnen und Bindegewebe, was es beim langsamen Garen besonders saftig macht. Es zählt zu den klassischen Siedefleisch-Teilen in Österreich (etwa für Suppe oder Rindfleisch mit Semmelkren), eignet sich aber ebenso für Schmorbraten und Gulasch. Die kräftige Marmorierung verleiht dem Schulterscherzel einen intensiven Rindgeschmack – perfekt für herzhaftes Gulaschfleisch. In Würfel geschnitten, zerfällt es nach langem Schmoren förmlich auf der Zunge.
- Dicke Schulter – Die dicke Schulter ist der Hauptmuskel der Rinderschulter. Dieses Stück ist fest und saftig und wird oft mit angehauter Schwarte und Fett angeboten. Durch seine Größe eignet es sich für größere Schmorbraten (z.B. im Ofen geschmort). Aber auch als Siedefleisch (Suppenfleisch) oder grob gewürfelt im Ragout/Gulasch macht die dicke Schulter eine gute Figur. Ihr Bindegewebe sorgt dafür, dass sie beim langsamen Garen zart wird und nicht austrocknet.
- Brust (Brustkern) – Die Rinderbrust liegt im Vorderteil unterhalb der Schulter. Man unterscheidet den Brustkern (Bruststück) und den vorderen Brustspitz, umgeben von mehreren „Kügerl“ (Knorpelteilen). Der Brustkern ist das beste Stück der Brust: kerniges, von Fett umrandetes, jedoch nicht stark marmoriertes Fleisch. Dieses Teilstück ist klassisches Siedefleisch – etwa für kräftige Suppen und Bouillonfleisch – da es beim Kochen saftig bleibt. In der internationalen Küche kennt man die Rinderbrust auch als Brisket, das sich hervorragend für Smoken/BBQ oder für Pastrami eignet. Wichtig ist lange, schonende Garzeit, damit das eher grobfaserige Brustfleisch zart wird.
Teile des Hinterviertels (Keule/Schlögel) vom Rind: Viele magerere Stücke wie Tafelspitz, Tafelstück, Weißes Scherzel, Hüferscherzel, Hüferschwanzel, Nuss und Schale stammen aus der Hüfte oder Keule. Sie eignen sich gut zum Sieden, Schmoren oder für Rouladen/Schnitzel. Schulterstücke (nicht im Bild) wie Schulterscherzel oder dicke Schulter liefern saftige Schmorbraten und Gulasch.

Siedefleisch & Gulasch: Beste Teilstücke für Suppe und Eintopf
Für Suppenfleisch, gekochtes Rindfleisch oder Gulasch verwendet man vorzugsweise gut durchwachsene, eher grobfasrige Stücke mit viel Bindegewebe. Diese werden beim langen Sieden oder Schmoren herrlich zart und geben viel Geschmack an die Brühe oder Sauce ab. Folgende Cuts sind hierfür ideal:
- Kavalierspitz – Ein kleiner, feiner Cut aus dem vorderen Schulterbereich, direkt unter dem Schulterscherzel. Der Kavalierspitz (mancherorts auch “Schulterschwanzel” genannt) ist besonders saftig und zart. Er wird traditionell als Siedefleisch geschätzt – ähnlich dem Tafelspitz, aber aus der Schulter. Da es pro Rind nur wenig Kavalierspitz gibt, gilt er als Geheimtipp für Fleischsuppe oder Tellerfleisch.
- Kruspelspitz – Hinter dem Kavalierspitz, im Bereich der oberen Schulter/Rippe, sitzt der Kruspelspitz. Dieses Teil ist grobfasrig und von einem Knorpel durchzogen – daher der Name („Kruspel“ = Knorpel). Langes Sieden macht den Kruspelspitz butterzart, und das ausgekochte Knorpelmaterial gibt der Suppe Gelatine und Kraft. In Wien wird er gerne für kräftige Rindsuppen verwendet; auch als gekochtes Fleisch mit Kren eignet er sich, muss aber wirklich weich gekocht werden. Weil er etwas fetter ist, quillt der Kruspelspitz beim Kochen gut auf und bleibt saftig.
- Hals (Nacken) – Das Halsfleisch (Rinderhals, Vorderviertel) ist stark beansprucht, grobfaserig und bindegewebsreich. Es wird oft der Kategorie Gulaschfleisch zugerechnet. In Würfel geschnitten und geschmort ergibt der durchzogene Nacken ein herrlich aromatisches Gulasch, da beim langen Schmoren das Kollagen zerfällt und die Sauce sämig macht. Auch als Suppenfleisch (für kräftige Fonds oder Rinderbrühe) kann man Hals verwenden, wobei längeres Kochen nötig ist, um die Fleischfasern zart zu bekommen.
- Wadschinken (Beinfleisch) – Als Wadschinken bezeichnet man die Unterschenkel-Stücke des Rindes (auch Wade oder Hesse genannt). Man unterscheidet vordere und hintere Wade, beide sind stark von Sehnen durchzogen. Das Beinfleisch ist prädestiniert für Gulasch: Die hohe Bindegewebsmasse (v.a. Kollagen) löst sich beim stundenlangen Schmoren auf und gibt dem Gulasch eine natürliche Bindung und großartigen Geschmack. Klassisches Wiener Saftgulasch wird oft aus Hinterwadschinken (Wadschunken) gekocht – dieses Stück ist besonders aromatisch. Auch für Suppe ist Beinfleisch beliebt (etwa Consommé mit Markknochen), dann aber unbedingt lange kochen, bis die Sehnen weich sind.
- Ochsenschlepp (Schwanz) – Der Ochsenschlepp, also der Rinderschwanz, besteht aus mehreren kleinen, von Knochen durchsetzten Segmenten. Er ist ein klassisches Nose-to-Tail-Stück, das früher oft zu Ochsenschwanzsuppe verarbeitet wurde. Aufgrund der vielen Knochen und des hohen Kollagengehalts eignet sich der Schwanz ideal zum Dünsten/Schmoren. Ein geschmorter Ochsenschlepp (oft in Wein oder dunkler Sauce) ergibt ein unglaublich kräftiges, gelatines Reiches Ragout, das in der gehobenen Küche wieder an Beliebtheit gewinnt. Tipp: Vor dem Schmoren den in Stücke gesägten Ochsenschlepp anrösten – das gibt noch mehr Röstgeschmack.
- Fledermaus (Schalblattel, „Spider Steak“) – Die Fledermaus ist ein echtes Geheimstück: ein kleiner, flacher Muskel aus der Kreuzbein-Gegend des Rindes, etwa handtellergroß (nur ca. 300 g pro Rind). Ihren Namen trägt sie, weil ihre Form einer Fledermaus ähnelt. Dieses fein marmorierte Stück war traditionell schwer erhältlich – pro Tier fällt eben nur eine kleine Fledermaus an, die der Metzger oft für sich behielt. Klassisch wurde die Rindsfledermaus in Wien gesotten oder paniert gebacken (ähnlich einem Schnitzel) serviert. Neuerdings entdeckt die BBQ-Szene diese Delikatesse: International als “Spider Steak” bekannt, eignet sie sich aufgrund der starken Marmorierung hervorragend zum Kurzbraten am Grill, muss aber gegen die Faser aufgeschnitten werden. Eine durch und durch zarte Rarität, die zeigt, welche Köstlichkeiten jenseits von Filet & Co. im Rind schlummern.
Teilstücke des Vorderviertels und weitere Siedefleisch-Cuts: In der Schulter und Brust sitzen Gustostücke wie Kavalierspitz und Kruspelspitz. Hals und die Vorder- bzw. Hinterwade liefern hervorragendes Gulaschfleisch. Der Ochsenschlepp stammt vom Schwanz und die Fledermaus versteckt sich im Kreuzbein. Diese Teile sind ideal zum Kochen, Schmoren und für Suppen.
Fazit: Bewusster Fleischkonsum von Kopf bis Fuß
Wer bewusst Fleisch genießt, sollte nicht nur zu Filetsteak & Co. greifen, sondern auch die Vielzahl anderer Teilstücke eines Rindes kennenlernen. Ob kurzgebratenes Steak, zarter Schmorbraten oder wärmendes Gulasch, für jedes Gericht gibt es das perfekte Stück – Rezepte für Gulasch, Braten & Co. finden Sie übrigens in unserem Blog – und oft liegen die geschmacklichen Schätze abseits der teuren Edelstücke. Indem wir vom Kopf bis zum Schwanz alles verwerten, ehren wir das Tier und sorgen für kulinarische Abwechslung.
Tipp: Direktvermarkter und Bio-Bauern – etwa über Plattformen wie nahgenuss.at, wo Sie Bio-Rindfleisch direkt vom Bauern kaufen können – bieten oft Mischpakete eines Rindes an. So erhalten Sie eine bunte Auswahl an Cuts und können selbst Nose-to-Tail praktizieren. Probieren Sie ruhig einmal ein unbekannteres Teilstück wie das Schulterscherzel im Gulasch oder eine geschmorte Rinderbacke – Sie werden mit intensivem Geschmack belohnt und tragen zu einem nachhaltigeren Fleischkonsum bei. Denn bewusster Fleischgenuss bedeutet, das ganze Tier wertzuschätzen – von der Nase bis zum Schwanz.